Fragen zu einem möglichen Kommunalunternehmen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

das Thema „Gründung eines Kommunalunternehmens“ erfordert nach Meinung der SPD-Stadtratsfraktion eine gründliche Beratung ohne Zeitdruck. Wir haben noch keine Grundsatzentscheidung, auch wenn Sie und viele Stadträte offenbar schon sehr gefestigt in Ihrer Auffassung sind. ( – obwohl wir alle bedenken sollten, wie schnell vermeintlich sichere Vorschriften oder Verbote, z. B. über Grunderwerb oder auch Darlehensaufnahme, die als Gründe angegeben wurden, warum nur eine einzige Möglichkeit übrig bleibe, sich quasi über’s Wochenende ändern können, wie uns Herr Lang ja am Montag eindrucksvoll berichtet hat.)

Am Montag wurde das Thema Kommunalunternehmen (-oder evtl. doch Eigenbetrieb?!) im Bauausschuss erstmals richtig andiskutiert, es sind aber noch sehr viele Fragen offen. Und da kann es zumindest uns nicht genügen, dass Sie uns versichern, die Sache lange gründlich geprüft zu haben: es ist nicht Aufgabe des Stadtrats, solch weitreichende Entscheidungen sozusagen als „Vertrauensfrage“ gegenüber Bürgermeister und Verwaltung abzustimmen – es sollte schon jeder aus eigener Überzeugung und guten Gewissens entscheiden können!

Einige Fragen will ich hier kurz umreißen:

  • Wie können Information und Einfluss des Stadtrats abgesichert werden? – In dem uns am 25. 11. 10 ( für unsere am selben Tag um 17 Uhr begonnene Fraktionssitzung zu spät) zugeleiteten, aber noch unvollständigen Satzungsentwurf wird in § 8 (14) eine Verschwiegenheitspflicht vorgesehen, die in vergleichbaren Fällen von Juristen durchaus auch als solche gegenüber (anderen) Stadträten angesehen wird. – Und mit den vorgesehenen Mehrheitsentscheidungen zu einer etwaigen Befreiung können wir nicht einverstanden sein.
  • Wie kann der Einfluss des Stadtrats gesichert werden, wenn § 7 nur in 3 von 12 Unterpunkten ein Weisungsrecht zubilligt – ausdrücklich nicht z. B. auch bei Grundstücksverkäufen u. ä. – und wenn auch in den wenigen Punkten mit vorgesehenem Weisungsrecht Abstimmungen entgegen der Weisung die Gültigkeit des Beschlusses nicht berühren? (Zur objektiven Darlegung eines weiterhin verbleibenden zufriedenstellenden Einflusses des Stadtrats sind übrigens m. E. Personen denkbar ungeeignet, die sich womöglich gerade selbst anschicken, Einzelvertretungsbefugnis zu erlangen.)
  • Wie können soziale Aspekte abgesichert werden, z. B. dass Wohnungen nicht verkauft werden, wenn es für die Mieter eine besondere Härte bedeutet und eine Stadt eigentlich Vertrauensschutz gewährleisten sollte, was aber bei einem Ein-Mann-Vorstand und weitgehend autonomen Verwaltungsrat nicht so sicher sein dürfte wie bisher? (Zu solchen sozialen Zwecken wurden die im Bauausschuss von Ihnen lobend erwähnten Bestandslisten vor Jahren von uns (!!) beantragt und dann von der Verwaltung erstellt.)
  • Ab welcher Wertgrenze soll der Vorstand die Zustimmung des Verwaltungsrats brauchen?
  • Wer kann ggf. diese Wertgrenze in der Satzung ändern? Der Stadtrat oder der Verwaltungsrat? (§ 7 (3) (a) ist insofern mindestens (!!) missverständlich!!)
  • Wie kann abgesichert werden, dass nicht bei finanziellen Schwierigkeiten Immobilien, die als Sicherheit für Darlehen belastet wurden, von den Kreditgebern versteigert werden oder vom Kommunalunternehmen an andere Gesellschaften, möglicherweise auch „Immobilienhaie“ verkauft werden („müssen“)?

Für TOP 2 der öffentlichen Sitzung des Bauausschusses am 6. 12. 2010 wurde mit Datum vom 30. 11. 2010 eine aktualisierte „Zusammenstellung des städtischen Immobilienbesitzes“ erstellt. Diese enthält offenbar Ihre – wenngleich „nur“ vom Kämmerer unterzeichneten – Vorschläge, welche Immobilien in ein Kommunalunternehmen ausgegliedert werden sollen und welche nicht, auch welche saniert werden sollen – und nicht zuletzt Vorschläge, welche Gebäude mit insgesamt 13 Wohnungen sowie 2 Betrieben, dazu 5 Erbbaurechte, verkauft werden sollen. Über diese Vorschläge wurde noch nicht beraten und erst recht nicht abgestimmt. Dies müsste jedoch vor einer Ausgliederung geschehen!

  • Und wie könnte abgesichert werden, dass Verkäufe später nicht gegen den Willen oder gar ohne vorherige Information des Stadtrats erfolgen können?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass auch z. B. die ausgegliederte Kleingartenanlage nicht zweckentfremdet wird?
  • Wie kann abgesichert weren, dass nach Darlehensaufnahmen nicht so hohe „Kostenmieten“ verlangt werden, dass die Mieter (deren Mieten teils jahrzehntelang allenfalls teilweise reinvestiert wurden) entweder die eine Sanierung eigentlich ein zweites Mal zahlen – oder sogar wegen anschließend zu hoher Mietpreise auszuziehen gezwungen sind?
  • Wie kann abgesichert werden, dass Bezüge und Entschädigungen vom Verwaltungsrat nicht zu hoch angesetzt bzw. erhöht werden und evtl. ein „Selbstbedienungsladen“ entsteht, wie er andernorts schon verschiedentlich beklagt werden musste – aber alles satzungskonform?

Den Stadtratsfraktionen stehen in städtischen Ausschüssen von Gesetzes wegen anteilig Sitze zu. Wie kann sichergestellt werden, dass nicht eine Fraktion oder auch nur ein missliebiges Stadtratsmitglied irgendwann einmal nicht in den Verwaltungsrat entsandt wird, auch wenn es jetzt vorher allgemeine Absichtserklärungen gibt, die aber eben wohl doch im Gegensatz zur GO rechtlich nicht bindend sind. (Unsere Erfahrungen bei „freien“ Stellenbesetzungen, z. B. weiteren Bürgermeistern oder Verwaltungsräten sind nur teilweise und zeitweise gut!)

Dies waren nun einige uns besonders wichtige Fragen. Ich bin aus verschiedenen Gründen weder prädestiniert noch zeitlich in der Lage noch gar verpflichtet, einen kompletten Satzungsentwurf vorzulegen, nachdem verständlicherweise sogar die Stadtverwaltung in der Kürze der Zeit seit der Sitzungsladung vom 19. 11. 2010 bis zur Nachsendung am 25. 11. 10 dazu nicht in der Lage war. Sie haben eine Möglichkeit zum Einreichen von Anträgen u. dgl. bis vor der Weihnachtssitzung zugestanden. Das ist ja sicherlich gut gemeint – hilft aber nichts, wenn z. B. meine Fraktion am kommenden Dienstag tagt, was längst so verabredet ist und wegen der Vielfalt der Verpflichtungen (gerade bei einer kleinen Fraktion, in der Vollzähligkeit noch wichtiger ist) auch nicht so einfach zu ändern ist.

Meine Fraktion kann also dann über etwaige Anregungen oder Änderungsanträge anderer Fraktionen gar nicht mehr beraten – was im übrigen auch der Fall wäre, wenn, wie schon vorgekommen, alle Fraktionen am selben Tag, z. B. Donnerstag tagen würden. Auch unsere etwaigen Vorschläge kämen für die anderen Fraktionsberatungen zu spät.

Es ist einfach ein Unding, ein solches „Jahrhundertwerk“ ohne gründlich vorbereitete und vorberatene vollständige Fassung der Satzung durchziehen zu wollen.

Ich denke, dass meine Fragen doch berechtigt und auch nicht alle so einfach aus dem Stegreif zu klären sind. Ich hoffe daher auf eine baldige positive Reaktion Ihrerseits.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Helmes, Fraktionsvorsitzender