1907-1919

Am 28. Juni 1907, Hans Bader ist jetzt 60 Jahre alt, erscheint eine Anzeige im Krumbacher Boten, worin er zu einer Vollversammlung für Sonntag, den 30. Juni, in die Kreuzbierhalle "einberuft': Diese Versammlung ist die Geburtsstunde des SPD-Ortsvereins Krumbach, damals noch "Verein der Sozialdemokratischen Partei in Krumbach" genannt. Zum ersten Vorsitzenden wurde Hans Bader gewählt.

Wahlergebnisse

Die Aktivitäten der Sozialdemokraten mit Hans Bader schlugen sich auch in den Wahlergebnissen für den Reichstag nieder. 1887 bekam die SPD gerade mal 7 Stimmen (1,7%), 1898 entfielen bereits 38 Stimmen (12,2 %) auf die Sozialdemokraten. 1903, der Wahlverein hatte sich 1898 aufgelöst, kam die SPD nur noch auf 8 % und 1907, dem Gründungsjahr, auf 10,3 % der Stimmen.

Die Presse als Gegner

Ein bedeutender Gegner der Sozialdemokratie saß an einer einflussreichen Stelle. Hans Schlachter, der Redakteur des Krumbacher Boten, war Zentrums-Politiker und stand den Sozialdemokraten insgesamt negativ gegenüber. In einer Zentrums-Anzeige im Krumbacher Boten vom 5. Januar 1907 äußerte sich Hans Schlachter wie folgt:

"Die ablehnende Haltung (gemeint ist die Ablehnung der Kriegskredite für die Feldzüge in den afrikanischen Kolonien, Anm. d. V.) der SPD gegenüber Regierungsforderungen entspringt der bedauerlichen antinationalen Grundrichtung dieser auch heute noch jeder Wirklichkeitspolitik fernstehenden einseitigen Klassenpartei."

Tatsächlich ist es auffällig, dass Schlachter sich in seiner Zeitung sehr breit über politischen Aktivitäten der Zentrumspartei äußerte, natürlich wohlwollend, während politische Veranstaltungen des SPD-Ortsvereins keine Erwähnung fanden.

Vereinsaktivitäten (1910)

Aus den vielen Anzeigen kann aber geschlossen werden, dass der Ortsverein sehr aktiv war. 1910 fanden neben den Monatsversammlungen politische Veranstaltungen für Textilarbeiter statt (Wilhelm Deffner aus Augsburg war Referent). Zur Vollversammlung am 3. März sprach der Landtagsabgeordnete Hans Rollwagen (Augsburg). Zur Gründung eines Arbeitergesangsvereins "Frisch auf" wurde eingeladen. Nach der Gründung fand gleich eine Woche später eine Vollversammlung des neuen Vereins statt. Wanderungen nach Thannhausen und Hairenbuch wurden organisiert und gesellige Zusammenkünfte angeboten.

Hungerwahlen (1912)

Im Jahr 1912 waren wieder Reichstags-und Landtagswahlen. Sie standen im Zeichen von Missernten, Lebensmittelmangel und Preiserhöhungen. Stetig steigende Fleischpreise erzürnten die Verbraucher. Eine Lockerung der Einfuhrbedingungen für den Import von Billigfleisch sollte der unzulänglichen Fleischversorgung Abhilfe schaffen. Die Bergarbeiter im Ruhrgebiet streikten und wurden niedergeknüppelt und im Reichstag in Berlin beschlossen die Abgeordneten gegen die Stimmen der SPD eine Novelle zum Flottengesetz.

Das Wettrüsten mit England konnte weitergehen. Die Krumbacher SPD entschloss sich, zusammen mit der Bauernpartei und den Liberalen eine Allianz gegen den Kandidaten des Zentrums zu schmieden. Am 4. Februar erschien eine Anzeige:

"Unsere Parole lautet: Keine Stimme dem Zentrum, Alle wählen Bauernbund, Jede Stimme Herrn Bürgermeister Dirr, Anhofen. Lokalverwaltung des sozialdemokratischen Vereins"

Es gelang zwar nicht, den Zentrumskandidaten zu schlagen, aber aus der Landtagswahl 1912 ging die Bayern-SPD insgesamt gestärkt hervor. Statt 21 Abgeordneten schickte sie nun 30 ins bayerische Parlament. Für die Reichstagswahl 1912 brachte diese Koalition ein herausragendes Ergebnis. 32,5% der Krumbacher Wähler entschieden sich für die Sozialdemokraten. Die SPD war damit in Krumbach zweitstärkste Partei geworden, hinter den Liberalen mit 35,3%. Das war einzigartig im Stimmkreis IIlertissen. Allerdings brachte diese Wahl für die SPD deutsch landweit einen erdrutschartiger Sieg: 110 Sitzefür die SPD im Reichstag, 91 Sitze gingen an das Zentrum.

Der Erste Weltkrieg (1914-1918)

1914 steuerte das Kaiserreich in den Ersten Weltkrieg. Außer Karl Liebknecht hatten auch die Sozialdemokraten im Reichstag für die Bewilligung von Kriegskrediten gestimmt und Krumbacher Sozialisten mussten den Kopf hinhalten für den Kaiser, für das Kaiserreich. Die Informationen über das politische Leben in Krumbach ruhen. Einmal im Monat traf sich ein kleiner Kreis im "Goldenen Kreuz': Jeder bemühte sich, "über die Runden zu kommen': Die Ernährungslage war schlecht. Mit Kohlrübensuppe mussten große Teile der Bevölkerung durch den Winter 1916/17 gebracht werden. Der Widerstand gegen den unsinnigen Krieg wuchs und brach sich Bahn. Revolutionäre Unruhen verbreiteten sich in ganz Deutschland. Arbeiter führten deutschlandweit Massenstreiks durch. Sie forderten eine bessere Lebensmittelversorgung, Frieden ohne Annexion und eine Reform des Wahlrechts. Der Krieg ging verloren und 1918 endete das Kaiserreich. Reaktionäre streuten die Mär von der Dolchstoßlegende und versuchten den Sozialisten die Kriegsniederlage anzulasten. Historiker sind sich heute aber einig, dass die Ursachen der Niederlage in der Heeresleitung und in der "großen Politik" des Kaisers und seiner Hofkamarilla begründet sind und nicht in den inneren Unruhen. Erst als Max von Baden als Reichskanzler antrat, wurde dem Reichstag realistisch und ungeschönt die Niederlage der Deutschen offengelegt. Für einen Waffenstillstand hatte US-Präsident Wilson aber Vorbedingungen gestellt: Verhandlungspartner konnte nur ein demokratisch legitimierter Staat werden! Nach langen Verhandlungen akzeptierten Max von Baden und seine Regierung diese Bedingung. Es kam zu einer Verfassungsreform (28.10.1918). Friedrich Ebert wurde als vom Kaiser unabhängiger Reichskanzler eingesetzt. Das uneingeschränkte Wahlrecht für Frauen und Männer löste das männliche Drei-Klassenwahlrecht ab. Für den 19. Januar 1919 wurden Reichstagswahlen angesetzt. Die sozialistischen Kräfte mussten nun die Suppe auslöffeln, die andere Deutschland eingebrockt hatten.

Frauenwahlrecht

Der erste sozialistische Frauenkongress wurde 1907 in Stuttgart veranstaltet. Die Genossinnen forderten das Frauenwahlrecht mit der gleichen Dringlichkeit wie das allgemeine Männerwahlrecht für die sozialen Unterschichten. Die Sozialdemokraten waren in Deutschland die ersten, die Frauen in ihren Forderungen unter stützten.

Unruhen im Land (1918)

Zeitweise entstand in Bayern ein provisorischer Arbeiter-und Soldatenrat mit Kurt Eisner als Ministerpräsident. Der Freie Volksstaat Bayern wurde proklamiert. Die Monarchie war abgeschafft. Ein Arbeiter-und Soldatenrat fungierte als Kontroll-und Verwaltungsorgan bis zur Wahl einer Nationalversammlung, die über die zukünftige Staatsform entscheiden sollte: Entweder eine parlamentarische Demokratie nach westeuropäischem Vorbild' oder eine Räterepublik nach sowjetischem Muster. In Krumbach wurde auch ein Arbeiter-und Soldatenrat gewählt. Dessen Aufgabe war, "die Ernährungs-und Versorgungslage zu sichern, das öffentliche Leben zu stabilisieren und den Wohnungsmarkt zu regeln': Ihm gehörten als Arbeiterräte Adalbert Schleicher, Franz Berger, Anton Schäffler und Johann Miller an. Zumindest Adalbert Schleicher ist als Sozialdemokrat einzuordnen, denn in der Kommunalwahl 1919 wurde er für die SPD in den Stadtrat gewählt.

Adalbert Schleicher

Adalbert Schleicher war Schreinergeselle in der Schreinerei Nagenrauft, Mindelheimer Str. 27. Er stammte aus dem Landkreis Dillingen und war 1894, 24jährig aufgrund der Anstellung bei Nagenrauft nach Krumbach gezogen. Im gleichen Jahr heiratete er eine Viktoria Wegeie, ebenfalls aus dem Landkreis Dillingen stammend. Sie bezogen ein eigenes Haus in der Fabrikstraße 17 (heute Robert-Steiger-Str. 17). Zwischen 1895 und 1901 wurden fünf Kinder geboren, von denen ein Mädchen im Kindesalter verstarb. Bis 1933 war er SPD-Stadtrat in Krumbach. Er arbeitete bei der Schreinerei Nagenrauft bis zum Eintritt in die Rente. Das Ende der Nazizeit hat er nicht mehr erlebt. Er starb im Januar 1944 in Krumbach.

Volksentscheid I (1919)

Der Krumbacher SPD-Ortsverein traf 1918 eilig Wahlvorbereitungen für Landtagswahl und Nationalversammlung. Eine politische Veranstaltung nach der anderen wurde organisiert. Adalbert Schwaninger war damals Vorsitzender. Durch seine und seiner Parteifreunde Arbeit gelang es, den Kandidaten der SPD, Clemens Högg (Neu-Ulrn), in den bayerischen Landtag zu bringen. Ein wichtiges Thema in den Wahlveranstaltungen war das zukünftige Schulsystem. Die Sozialdemokraten forderten eine konfessionsunabhängige Schule (jedoch keine Religionslosigkeit). Sie standen für den Achtstundentag und für eine angemessene Beteiligung der Arbeiterschaft an durch ihrer Hände Arbeit erwirtschafteten Gewinnen. Sie warben für eine parlamentarische Demokratie und nicht für ein Rätesystem. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung gaben in Krumbach 1641 Männer und erstmals auch Frauen ihre Stimme der SPD und verdeutlichten insgesamt die Absage an ein Rätesystem.

Die zweite Revolution (1919)

Ministerpräsident Kurt Eisner, der die konstituierende Landtagssitzung eröffnen wollte und die Absage an das Rätesystem anerkannte, wurde auf dem Weg in den Landtag erschossen. Es folgte ein Massenaufstand in den industriellen Ballungszentren. Die bei der Landtagswahl legitimierte sozialistische " Hoffmann-Regierung" musste im April 1919 von München nach Nürnberg fliehen. Esfolgte die Ausrufung der Münchener Räterepublik.

Flagge zeigen (1919)

In unserer Region hatten diese politischen Umwälzungen für große Unruhe gesorgt. Eine riesige Volksversammlung fand in Krumbach statt. 2000 Menschen hatten sich am Rittlen zum Protest versammelt. Redner des Bauernbundes, der Bayerischen Volkspartei und von der SPD MdL Clemens Högg erteilten unter dem Beifall der Zuhörer der Räterepublik eine deutliche Absage. Eine Resolution wurde verfasst: Die Versammlung lehnt mit Entschiedenheit die Räterepublik ab. Diese kann das vorhandene Elend nur ins Unermessliche steigern. Nur geschlossenes Arbeiten im sozialistischen Sinne unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes des ganzen Volkes kann uns wieder besseren Verhältnissen entgegenführen. Die Versammlung lehnt sich mit Empörung auf gegen den Versuch landfremder Elemente und Phantasten, sich die Regierungsgewalt anzumaßen. Die Versammlung steht geschlossen hinter der sozialistischen rechtmäßigen Regierung Bayerns, die nicht abgedankt hat, sondern weiterregiert. An die Volksgenossen, vor allem auch an die Soldaten, richten wir die Aufforderung, aufzustehen zum Schutz für unsere Heimat, für Freiheit und Recht. Weg mit der Fremdherrschaft in München! Bayern den Bayern!

Ende der Räterepublik (1919)

Mit Hilfe von preußischen und württembergischen Truppen wurde in München dem Rätesystem im Mai 1919 ein Ende bereitet. Dem aufgestauten Volkszorn zum Opfer fiel der Gatte der Krumbacher Lyrikerin Hedwig Lachmann, der Literat Gustav Landauer, der, obwohl er sich von der zweiten Räterepublik deutlich distanziert hatte, inhaftiert worden war. In der Haft wurde er ermordet.

Neueintritte (1919)

1919 bescherte dem Ortsverein zahlreiche Neumitglieder. Die Eindrücke aus dem Ersten Weltkrieg und dem Terror von rechts und links auf der Straße veranlassten viele in die Partei einzutreten. Von Alois Kroner wird die Aussage überliefert: Man muss mitgestalten. Wenn man mitbestimmen und etwas zum Besseren wenden will, dann muss man sich einer Organisation oder Partei anschließen und dort mitarbeiten' Alois Kroner wollte für die Rechte des Arbeiterstandes kämpfen. Sein erhaltenes Parteibuch bestätigt seinen Eintritt in den SPD-Ortsverein am 12. April 1919, Unterschrift: Adalbert Schwaninger.

Drei Stadtratsmandate für die SPD (1919)

Bei den Gemeinderatswahlen 1919 zogen dann erstmals drei Sozialdemokraten in den Krumbacher Stadtrat ein: Adalbert Schwaninger, Adalbert Schleicher und Wilhelm Fischer.